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Allerleirauh: Ausgabe 3 (Review)
Artist: | Allerleirauh |
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Album: | Ausgabe 3 |
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Medium: | Fanzine | |
Stil: | konsequent kauzig |
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Label: | Eigenveröffentlichung | |
Spieldauer: | 120 Seiten | |
Erschienen: | 21.12.2022 | |
Website: | [Link] |
ALLERLEIRAUH, die Dritte! Das märchenhafte Motiv auf dem Deckblatt könnte wohl zu einer Dungeon-Synth-Publikation passen, weckt aber auch Erinnerungen an große psychotische Schlösser und dunkle Festungen. Das ALLERLEIRAUH ist allerdings kein Fanzine, welches sich stilistisch auf jenen Metal-Stil beschränkt, oder den Fokus überhaupt auf unter- bis tiefgründige Musik richtet, nein auf diesen Seiten geht es um mehr als gediegenen Krach und die von Krachmachern – wie z.B. Cerberus von Dold Vorde Ens Navn – wertgeschätzte Stille. Musik dient sich hier vor allem als Reisebegleiter ins Gestern, Vorgestern und noch weit entferntere Vergangenheiten an.
Exemplarisch und besonders schön, weil ausführlich wie persönlich, kann das Interview mit Andreas von Mountain Throne genannt werden, der hier in erster Linie als Archäologe zu Wort kommt, und sich eher am Rande zu seinem musikalischen Treiben äußert. Uralte Höhlenkunstwerke, das Aussterben der Mammute, die Herstellung von Steinzeitwerkzeug – das sind Themen, die für Herausgeber Andreas Walther wie manch anderen irgendwie auch zum Metal passen, und genau solch eine Lesegeschichte zeichnet das ALLERLEIRAUH aus, denn wo finden sich ähnliche Gespräche zu solcher Thematik?
Die Schwestern Lisa und Stickan von den Riders of Rohan arbeiten im Gespräch mit Andreas ihre traumatischen Erinnerungen an Ralph Bakshis Zeichentrick-Umsetzung von "Lord of the Rings" auf, deren Szene mit den auf die Betten im "Gasthof zum tänzelnden Pony" einstechenden Ringgeister sie über Jahre ihrer Kindheit verfolgte. Warum ihr "Äventyrsrock" nicht ohne Humor auskommt, erklären die Göteborger Rohirim mit Spaß in den Backen, der sich beim Lesen überträgt.
Adam von der Death-Metal-Band Harrowed übt sich im Feinjustieren grober Klänge, um sein Verständnis von tödlichem Metal zu präzisieren, und unterfüttert das Band-Motto "No triggers. No fascism. Death metal." mit einem persönlichen Plädoyer. "Wenn sich Künstler selbst zu ernst nehmen, sollten sie ausgelacht werden", zeigt sich Stefan von den finnischen Melodic-Black-Metal-Schergen Havukruunu in bester Laune zum Streiten und mit klarer Meinung zu Songtexten aus dem Anfänger-Baukasten: "Ich bemitleide den Vollpfosten, der seine lyrischen Werke ausschließlich auf den Büchern von Tolkien (…) oder schlimmer noch, nordischer Mythologie oder irgendeiner Cosplay-Geschichte aufbaut." Der eingangs erwähnte Cerberus der norwegischen Black-Metal-Veteranen Dold Vorde Ens Navn gibt sich hingegen zugeknöpft und träumt lieber von Momenten völliger Abgeschiedenheit, als Andreas‘ Fragen näher zu beantworten.
Doch auch wenn noch andere Musiker und Bands (Northaunt, Locust Point, Ironhawk, Monokel) Rede und Antwort stehen, zeichnet das ALLERLEIRAUH eben auch ein Herumstromern "abseits der Wege" aus, die von Fanzines mit ähnlichem Fokus beschritten werden (wie z.B. das leider eingestellte Rauhnacht-Fanzine). So berichtet Falknerin Sandra Jung über ihre langjährige Arbeit in der Falknerei Burg Greifenstein, und Eirik Storesund reflektiert sein mit "Trotz und Leidenschaft" betriebenes Podcast-Projekt "Brute Norse".
Mit dieser dritten Ausgabe gewinnt Andreas‘ Art, seinem gegenüber Fragen zu stellen, nochmal an Kontur, und auch wenn nicht alle seiner Einladung, das eigene Wirken der Leserschaft im Wortsinn näherzubringen, folgen (sondern sich auf einsilbige Antworten beschränken), so gewinnt das ALLERLEIRAUH durch diesen persönlichen Ansatz an Tiefgang.
FAZIT: Nicht nur mit seinem ungewöhnlichen Format (zwischen DinA3 und DinA4) und seiner antiquierten Aufmachung richtet es sich das ALLERLEIRAUH trotz Inspiration durch traditionale Underground-Metal-Druckwerke in einer eigenen Nische ein, mit dem Anspruch, deutlich mehr als ein herkömmliches Fanzine zu bieten. Das gelingt im bekannten Koordinatensystem zwischen Heldenverehrung (Quorthon, Lemmy), Begeisterung für unverfälscht aufspielende Kämpen und Klangmagier, sowie neugierigem Staunen angesichts von Märchen, Dichtung und dem Zauber des Ungesagten zwischen den Zeilen.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr